Theologie
der Befreiung und
Theologie des religiösen Pluralismus
Asociación Ecuménica de Teólogos y Teólogas del Tercer Mundo (Ed.): Por los muchos caminos de Dios. Desafíos del pluralismo religioso a la teología de la liberación (Colección Tiempo Axial 1), Editorial Verbo Divino / Quito 2003, 187 S. Asociación Ecuménica de Teólogos y Teólogas del Tercer Mundo (Ed.): Por los muchos caminos de Dios II. Hacia una teología cristiana y latinoamericana del pluralismo religioso (Colección Tiempo Axial 3), Editorial Abya Yala, Quito 2004, 175 S.
Die Ökumenische Vereinigung der Theologinnen und Theologen der Dritten Welt (EATWOT) legt mit diesen beiden Bänden, die von ihrer lateinamerikanischen theologischen Kommission herausgegeben werden, den Anfang einer systematischen Auseinandersetzung mit der Herausforderung der Theologie der Befreiung durch den religiösen Pluralismus vor. Angesichts der andauernden und sich verschlimmernden globalen Armut und ihrer vielfältigen Beziehungen mit den verschiedenen Religionen, die zunehmend ins Bewusstsein tritt, wird diese Auseinandersetzung von Theologinnen und Theologen außerhalb Lateinamerikas schon seit längerem eingefordert. EATWOT möchte diese theologische Reflexion nun nicht nur anstoßen, sondern gleich selbst um einige Schritte vorantreiben. Deswegen sind die hier zu besprechenden Bände auch nur der Anfang einer auf fünf Publikationen geplanten Serie, alle unter dem vielsagenden Titel „Auf den vielen Wegen Gottes“. Während die beiden ersten Bände, die nun vorliegen, der Fragestellung (I) und einigen ersten Antworten (II) gewidmet sind, sollen sich die folgenden Bände weitergehenden Themen zuwenden (vgl. I, 14–16; II, 12): Der dritte Band, der bereits in Arbeit ist (II, 12), wird die Themen der Theologie der Befreiung aus einer pluralistischen Perspektive neu reflektieren und formulieren. Der vierte Band soll auch die Theologinnen und Theologen der anderen Kontinente der Dritten Welt zu Wort kommen lassen und ihre Perspektive des religiösen Pluralismus einholen. Dem fünften Band schließlich ist das hohe Ziel einer „interreligiösen Theologie des religiösen Pluralismus“ (I, 15) gesetzt. Die ganze Serie ist der Theologie der Befreiung verpflichtet und bemüht sich um einen intensiven Dialog zwischen dieser Theologie, die in Lateinamerika entstanden ist, und der Theologie des religiösen Pluralismus, die ihre Wurzeln vor allem in Asien und im angelsächsischen Sprachraum besitzt. José
M. VIGIL, Luiza E. TOMITA und Marcelo BARROS firmieren als Herausgeber
dieser Serie. Sie wird in Verbindung mit der Verlagsreihe „Tiempo
Axial“ der Editorial Verbo Divino herausgegeben, deren zweiter Titel
– zwischen den beiden hier besprochenen Bänden – die
spanische Übersetzung von John Hicks „The Metaphor of God Incarnate“
ist. All dies ist nicht zufällig. Die Herausgeber sind überzeugt,
dass die Gegenwart eine wichtige Zeit des Übergangs sei, die den
Vergleich mit der „Axialzeit“ Jaspers nicht zu scheuen brauche.
Der Dialog der Religionen ist für sie eines der wichtigsten Projekte
der Gegenwart, um die Menschheit – vor allem die Armen – in
eine gerechtere und menschlichere Zukunft zu führen. Faustino
TEIXERA widmet seinen Beitrag einer Reflexion über die Vorgeschichte
und die Grundsätze eines Dialogs zwischen den beiden genannten Theologien,
während VIGIL einen sehr guten Überblick über die zentralen
Themen und Inhalte dieses Dialogs, sowie über die ihm zugrunde liegende
Spiritualität liefert. Der abschließende Artikel von BARROS
fasst die Anliegen des Dialogs noch einmal zusammen und reflektiert auch
über die Widerstände, die ihn bislang verhindert haben. Schließlich werden einzelne zentrale theologische Themen unter dem Paradigma des Dialogs zwischen den beiden theologischen Richtungen betrachtet: der Gottesbegriff (aus feministisch-befreiungstheologischer Sicht: TOMITA), die Offenbarung (Luiz Carlos SUSIN), die Bibel (BARROS), die Christologie zunächst klassisch (VIGIL), dann aus afroamerikanischer (BARROS) und indigener Perspektive (Mario PÉREZ). Francisco de Aquino JÚNIOR reflektiert über die Ekklesiologie aus befreiungstheologischer und makroökumenischer Sicht, und Paulo BOTTAS vom afroamerikanischen Standpunkt. Ein zusammenfassender und ausblickender Epilog des Präsidenten der Vereinigung, Diego IRARRÁZAVAL, schließt diesen Band. Dieser kurze Überblick über die Themen der beiden Bände kann (und soll) ihre Lektüre nicht ersetzen. Er soll aber auf eine interessante und spannende theologische Auseinandersetzung aufmerksam machen, die zentrale theologische Themen der Gegenwart miteinander verbindet. Es ist lohnend, sich mit diesen lateinamerikanischen AutorInnen auf den Weg des Dialogs zwischen Befreiung und Pluralismus zu begeben. Die Beiträge sind in aller Regel auf der Höhe der theologischen Diskussion, sowohl was ihre Quellen in der lateinamerikanischen Theologie als auch in den verschiedenen Ausprägungen der Religionstheologie angeht. Sie geben aber auch Zeugnis von einem konkreten Kontext und der Lebenssituation, aus der heraus sie geschrieben werden: Die Beiträge entstehen aus dem Dialog mit den Armen Lateinamerikas. Mag die Anlage des Gesamtwerkes auch sehr ambitioniert erscheinen, so verdient es doch das Anliegen, die zentralen Herausforderungen der Gegenwart – die von KNITTER in die Diskussion eingebrachten und häufig zitierten „vielen Armen“ und „vielen Religionen“ (I, 92) – als ein einziges Zeichen der Zeit zu betrachten und zum Gegenstand der Theologie zu machen, dass diese Serie auch im deutschen Sprachraum Beachtung findet.
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Dr. Stefan
Silber, Sailauf |
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